On the Borders of Bolshevism:

Class, Race, and the Social Relations of Occupied Vladivostok, 1918–19

  • Benjamin Isitt

Abstract

Nach der Revolution von 1917 war die Machtfrage in Vladivostok ungeklärt. Rivalisierende staatliche und nicht-staatliche Akteure rangen um politischen Einfluss. Die geopolitischen Konflikte übertrugen sich auf die lokalen Verhältnisse und sozialen Beziehungen – ein Prozess, der mit Blick auf Klasse, Rasse und Ideologie seinerseits Grenzen festlegte und soziale Räume im besetzten Vladivostok formte. Nach dem Machtverlust der Bol’ševiki in Vladivostok strömten im Sommer 1918 mehr als einhunderttausend ausländische Soldaten in Russlands fernöstliche Hafenstadt. Sie mischten sich mit der dort ansässigen asiatischen und europäisch-russischen Zivilbevölkerung und Emigranten, vorwiegend Anhängern der antibolschewistischen Weißen Bewegung, die vor dem Bürgerkrieg im Inland geflohen waren. Am Beispiel des besetzten Vladivostok soll in diesem Artikel das Konzept des „Wanderarbeiters“ so erweitert werden, dass es sowohl ausländische Soldaten als auch die lokale Zivilbevölkerung und Flüchtlinge erfasst. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den Beziehungen zwischen den kanadischen Soldaten und der lokalen Zivilbevölkerung. Die höheren Offiziere identifizierten sich mit den Anhängern der Weißen Bewegung und reagierten mit Empörung auf die Guerilla-Taktik der Partisanenverbände aus den Dörfern der Region Primor’e. Einfache Soldaten hingegen standen den Zielen ihrer Länder in Russland eher skeptisch gegenüber und identifizierten sich mit dem Volksaufstand im Frühjahr 1919. Die Zivilbevölkerung chinesischer und koreanischer Abstammung wurde durch einen „kolonialen Blickwinkel“ wahrgenommen, aber kaum mit Geringschätzung, weil man sie (fälschlicherweise) für immun gegenüber kommunistischen Einflüssen hielt. In Cafés, auf den Straßen, in den Kinos und der Straßenbahn, auf Marktplätzen, in den Kasernen und Bordellen des besetzten Vladivostok entwickelten sich zwischen alliierten Soldaten und der aufsässigen Zivilbevölkerung der Grenzstadt komplexe Wechselbeziehungen, die einen einzigartigen sozialen Raum an der Grenze zum Bolschewismus schufen.

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Published

2012

How to Cite

Isitt, B. (2012). On the Borders of Bolshevism:: Class, Race, and the Social Relations of Occupied Vladivostok, 1918–19. Comparativ, 22(5), 72–86. https://doi.org/10.26014/j.comp.2012.05.06