Asian Experiences of Development in the 20th Century
Vol. 19 No. 4 (2009)
Herausgegeben von Marc Frey
Articles
Welche langfristigen politischen und ökonomischen Leitlinien charakterisiert das japanische Entwicklungsmodell? Unter welchen Umständen entwickelte sich das japanische Modell von Entwicklung bis zur Mitte der siebziger Jahre? In diesem Beitrag wird argumentiert, dass das japanische Entwicklungsmodell in engem Verhältnis zur Globalisierung im 20. Jahrhundert steht. Entsprechend nimmt der Beitrag zunächst Globalisierungsschübe des 20. Jahrhunderts in den Blick. Anschließend wird gezeigt, dass das japanische Entwicklungsmodell der Zeit vor und während des Zweiten Weltkrieges als eine von drei Strategien interpretiert werden kann, mit denen Staaten auf die globale Wirtschaftskrise und auf Prozesse von Entglobalisierung reagierten. Die für Japan charakteristische Version eines militärischen Entwicklungsregimes wurde in der Nachkriegszeit abgelöst von einer langfristigen Strategie, die sich am System von Bretton Woods orientierte.
Der Beitrag untersucht die langfristigen Wirkungen kolonialer Herrschaft auf die sozioökonomische Entwicklung Pakistans und beleuchtet die entwicklungspolitischen Anstrengungen des Landes in den ersten drei Jahrzehnten staatlicher Unabhängigkeit. Die hier behandelte Epoche begann und endete mit einschneidenden Ereignissen: mit der Gewinnung staatlicher Unabhängigkeit infolge der Teilung Britisch Indiens im Jahre 1947 und dem Sturz der zivilen Regierung durch das Militär. Die entwicklungspolitischen Aktivitäten dieser Jahre spiegeln emblematisch die Möglichkeiten und Grenzen wider, denen viele Länder des entkolonisierten ‚global South’ ausgesetzt waren. Die Diskussion soll zeigen, dass die Dekolonisierung, hier verstanden als ein Prozess der Gewinnung staatlicher Souveränität, aus sozioökonomischer Perspektive keineswegs als eine Zäsur aufgefasst werden kann.
Die amerikanische Entwicklungskooperation mit südostasiatischen Staaten während der fünfziger Jahre ist Thema dieses Beitrags. In einem ersten Teil werden die ideellen und institutionellen Grundlagen amerikanischer Entwicklungspolitik beleuchtet. Anschließend werden deren regionale Prämissen diskutiert. Schließlich geht der Beitrag näher auf die amerikanische Entwicklungspolitik gegenüber Indonesien und SüdVietnam ein. Die Beispiele machen das Bemühen deutlich, südostasiatische Länder mit Hilfe von Entwicklungspolitik im Sinne amerikanischer Modernisierungsvorstellungen zu verändern. Deutlich werden aber auch die Möglichkeiten südostasiatischer Staaten, diesen Modernisierungsprojekten enge Grenzen zu setzen. Der Beitrag ordnet sich damit in neuere Interpretationen des Kalten Krieges als einem perizentrischen System ein, das kleineren Akteuren erhebliche Handlungsautonomie zuspricht.
John Foster Dulles gilt nicht gerade als Befürworter einer aktiven amerikanischen Politik der Entwicklungskooperation. Diese Interpretation, so der Beitrag, bedarf einer Korrektur. Fragen der Entwicklungskooperation bewegten den amerikanischen Außenminister sehr wohl. Dies galt insbesondere mit Blick auf Asien. Der Beitrag beschäftigt sich mit seinen Vorstellungen über Entwicklung und Entwicklungspolitik, die sich an den Reformimpulsen Woodrow Wilsons und zeitgenössischen Überlegungen zur Rolle von Entwicklungspolitik im Kalten Krieg orientierten. Untersucht werden die Diskrepanz zwischen Rhetorik und politischem Handeln, die Zwänge des amerikanischen politischen Systems und die Bedingungen, unter denen eine damals noch experimentelle Entwicklungspolitik überhaupt möglich waren.
Der Beitrag untersucht den Zusammenhang von Vorstellungen über Natur / Umwelt und Visionen asiatischer Entwicklung. Im Mittelpunkt steht dabei das Verhältnis von Krankheit, Gesundheitspolitik und Entwicklung. Rekonstruiert wird ein Prozess früher optimistischer Erwartungen in menschliche Fähigkeit, mit Hilfe von Technologie Natur zu meistern, hin zu einer pessimistischen Einsicht, dass dies nur begrenzt möglich ist. Asiatische Nationalisten und Sozialreformer rekurrierten auf koloniale Diskurse über das tropische Asien, waren jedoch davon überzeugt, dass Technik die Umwelt beherrschbar machen konnte. Ausdruck dieser Überzeugung war die globale Kampagne zur Ausrottung der Malaria, deren Schwerpunkt in Asien lag. Krankheitserreger machten jedoch nicht vor Grenzen halt, innerhalb derer Entwicklung zunehmend definiert wurde. Ebenso blieben Krankheiten ein Charakteristikum urbaner Räume. Zu Beginn der sechziger Jahre griffen Beobachter daher wieder auf vom Kolonialismus eingeführte Vorstellungen über die Unbeherrschbarkeit tropischer Natur zurück: nicht staatliche Institutionen oder nationale Entwicklungspolitik erschienen verantwortlich für die Persistenz von Armut, sondern Natur und Umwelt.
In den sechziger und frühen siebziger Jahren bildeten Geberländer und ausgewählte Nehmerländer so genannte entwicklungspolitische Konsortien. Diese ermöglichten eine Multilateralisierung von Entwicklungskooperation und eine längerfristige Planung von Transferleistungen. Der Beitrag zeigt, dass diese Konsortien entwicklungspolitisch sinnvoll waren, aus politischen Gründen jedoch keinen Bestand hatten. Untersucht wird diese Form multilateraler, langfristiger Entwicklungskooperation an den Beispielen Indien, Pakistan, Türkei und Indonesien.
Forum
Negotiating Decolonization in the Classroom: French-Lebanese Interaction during the Mandate Period (1920–1943)
This article deals with the history of French schools in Lebanon during the mandate period (1920–1943) and examines their contribution to the process of decolonization in Lebanon. It argues that French institutions of catholic, protestant, jewish and secular obedience constituted places where decolonization was negotiated between the different actors involved in the activities of the schools (French and Lebanese staff of the schools, their superiors of their head offices in France, the politicians and bureaucrats of the French government in Paris and Beirut and the Lebanese parents and notables). On the one hand, as the article demonstrates, their interaction stengthened the French colonial presence in Lebanon. On the other hand, however, the French schools also constituted spaces for nationalistic claims from different Lebanese nationalists. As a result of different clienteles and differing relations with the French government, French schools either witnessed the former or the latter aspect.