Being on the Move: Formations of the Black Atlantic
Vol. 21 No. 5 (2011)
Herausgegeben von Patricia Wiegmann und Nora Kreuzenbeck
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Herausgegeben von Patricia Wiegmann und Nora Kreuzenbeck
Black Music und ihre Performanzen sind Praktiken, der weitreichende kulturelle und historische Kontinuitäten vorgewiesen werden können. Der Artikel untersucht drei Ausdrucksformen und ihre nationenübergreifenden Interdependenzen. Dabei werden verschiedene geographische und performative Räume mit einander verknüpft. Vom Middle Passage Slave Ship Limbo führt der Artikel zum US-amerikanischen Blues und Jamaikanischen Dancehall bis hin zu den Südafrikanischen Shebens und zeigt auf, wie sich diese kulturellen Praktiken und Räume in Ausformungen gegenseitig bedingen und verändern.
Vor dem Hintergrund des Black Atlantic argumentiert der vorliegende Artikel, dass Kakao/Schokolade und Blackness vielschichtig – auf diskursiven und materiellen Ebenen – miteinander verknüpft sind. Es waren seit dem frühen 20. Jahrhundert in erster Linie versklavte schwarze Subjekte, die die Kakaobohnen auf Plantagen in Westafrika ernteten, und diese Produktionsbedingungen fanden nicht nur Eingang in das semantische Feld rund um Schokolade, in dem diese als exotisches Genussmittel, als Aphrodisiakum, oder als Luxusgut konstruiert worden ist, sondern auch in die visuelle Bildsprache von Schokoladenreklame, die häufig koloniale Phantasiewelten evozierte, in denen „exotische“ Menschen an „tropischen“ Orten Kakao ernteten. Schokolade fungiert hier, in Anlehnung an Roland Barthes, als Mythos, denn es erscheint in den Quellen selbsterklärend und vermeintlich „natürlich“, warum ein ehemals koloniales Produkt mit (Imaginationen von) Blackness verwoben wird. Interessanterweise taucht chocolate in afrikanisch-amerikanischen kulturellen Kontexten aber auch als affirmative und positiv konnotierte Selbstbezeichnung auf, und – im Gegensatz zu Deutschland – als emanzipatorische und häufig sexuell aufgeladene Aufforderung einer positiven Identifikation mit Blackness.
Aus historischer Perspektive lässt sich die Karibik nicht nur als Teil einer Atlantischen, sondern darüber hinaus einer globalen Welt verstehen. Im Zuge der kolonialen Expansion zirkulierten zwischen den als East und West Indies bezeichneten Regionen, Güter, Menschen und Ideen. Im 19. Jahrhundert war Kuba ein Knotenpunkt innerhalb der so entstandenen Netzwerke, und die kubanische Zigarre etablierte sich als globales Luxusprodukt. In vielen Teilen der Welt begehrt und nachgeahmt, wurde El Habano zu einem mythenumgebenen Herzstück transnationaler Produktions- und Handlungsprozesse: industrielles und agrikulturelles Wissen, Saatgut sowie menschliche Arbeitskräfte wanderten zwischen den verschiedenen Regionen umher. Der Artikel verfolgt die grenzüberschreitenden Wege und Mythen von El Habano vom 19. bis ins 21. Jahrhundert und nimmt verschiedenen Stätten der Produktion in Kuba, Florida, Connecticut sowie Indonesien in den Blick.
Der kubanische Staatschef Fidel Castro definierte Kuba 1975 als eine „lateinamerikanisch-afrikanische Nation“. Diese Ankündigung war überraschend, denn seit dem Verbot des Rassismus nach der Revolution waren Diskussionen über die afrikanische Herkunft eines großen Teils der kubanischen Bevölkerung Tabu. Castro benötigte jedoch einerseits Tausende von Freiwilligen für die militärische und zivile Kooperation mit dem unabhängigen Angola, andererseits musste er den größten transatlantischen Auslandseinsatz in der Geschichte Kubas politisch rechtfertigen. Diese damit implizierte Annahme einer gemeinsam-geteilten Identität von Kubanern und Angolanern ist der Ausgangspunkt für neue Überlegungen zur Bedeutung des Konzepts des „Black Atlantic“. Sie basieren auf meinem kürzlich beendeten Postdoc-Forschungsprojekt über die kubanisch-angolanischen Kooperation im Bildungsbereich: Kubaner in Angola. Süd-SüdKooperation und Bildungstransfer 1976–1991.
Ortswechsel schwarzer Menschen waren konstituierend für die Herausbildung transatlantischer Netzwerke, die Paul Gilroy als Black Atlantic begreift. Dabei durchquerten jene den atlantischen Raum nicht nur als Versklavte und Vertriebene, sondern auch als selbstbestimmte und selbstbewusste Reisende. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit der in Jamaika geborenen Reisenden Amy Jacques Garvey, die 1923 gemeinsam mit ihrem Ehemann Marcus Garvey im Dienste der Universal Negro Improvement Association (UNIA) die USA bereiste. Ihre Erlebnisse und Eindrücke hielt Amy Garvey in sechs Reisereportagen fest, die wöchentlich in der Organisationszeitschrift Negro World veröffentlicht wurden. Entlang dieser Reiseberichte untersucht der vorliegende Artikel zum einen, in welcher Weise die Reise der Garveys und insbesondere die Aktivitäten Amy Garveys als Reisereporterin zu einer transatlantischen Vernetzung beitrugen. Zum anderen diskutiert der Artikel die sowohl emanzipatorischen als auch restriktive Dimensionen, die sich für Amy Garvey an die Reise und die Berichterstattung knüpften: In welcher Weise bestimmten zeitgenössische Vorstellungen von race, class und gender die Reise Amy Garveys und ihre Möglichkeiten der Berichterstattung? Die Berichte zeichnen die Verfasserin als aktiv Handelnde aus, die in ihren Reportagen selbstbewusst Formen von Rassismus kritisiert und sich diesen im Zuge ihres Schreibens widersetzt.