Representations of Europe as a Political Resource in the Early and Late Twentieth Century
Vol. 22 No. 6 (2012)
Herausgegeben von Hartmut Kaelble
Editorial
Articles
Der Artikel untersucht die Rolle und den Inhalt von Repräsentationen Westeuropas in innenpolitischen Reformdebatten Russlands zwischen den Revolutionen von 905 und 97. Jene, welche an diesen Debatten teilnahmen, teilten parteiübergreifend eine Reihe von Grundannahmen: Diesen zufolge bewegten sich Russland und Westeuropa auf derselben Entwicklungsleiter vorwärts; Westeuropa verfügte hierbei über einen erheblichen Vorsprung; und Russland war deshalb gut beraten, sich bei seinen weiteren Entwicklungsschritten an jenen Gesetzen und Regelungen zu orientieren, welche der Westen erfolgreich zur Anwendung brachte. Vor dem Hintergrund dieser gemeinsamen Grundannahmen ließ sich mit Repräsentationen Westeuropas Politik machen. Verweise auf den „Westen“ wurden herangezogen, um die unterschiedlichsten Positionen zu begründen und zu legitimieren. Gestritten wurde zwischen den Vertretern verschiedener politischer Ausrichtungen vielfach darüber, wie sich das fortschrittliche „Westeuropa“ im Einzelnen darstelle und wie dessen Erfahrungen zu interpretieren seien. Die Relevanz dieser Diskussionen für genuin innenpolitische Reformen in Russland stellte dagegen so gut wie niemand in Frage.
Dieser Artikel untersucht, welche Funktionen der Verweis auf Europa in den englischen und deutschen Debatten über Kolonialkriege und imperialistische Interventionen um 900 hatte. Welche Europarepräsentationen dienten den Kriegsbefürwortern als Legitimationsressource, wie instrumentalisierten Kritiker Europabilder, um für ihre politischen Positionen zu werben? So wird etwa gezeigt, wie die Repräsentationen Russlands als mehr oder weniger europäisch dazu dienten, dieses Land als Rivalen oder Kooperationspartner in imperialen Kontexten darzustellen. Im Zentrum des Artikels steht jedoch die Frage, inwieweit Militäreinsätze in der außereuropäischen Welt damit legitimiert wurden, das europäische Modell zu verbreiten (die „Zivilisierungsmission“). Hier ist die zentrale These, dass eine solche Argumentation nur dann eine prominente Rolle spielte, wenn die entsprechenden Militäreinsätze ohnehin populär und erfolgreich waren.
Der Artikel vergleicht zwei Repräsentationen der Europäischen Gemeinschaft, die “Festung Europa“ und „Europa als Imperium“ miteinander und untersucht sie als Fremdzuschreibungen hin auf ihre Kompatibilität mit der gemeinsamen europäischen Außenpolitik in den 990er Jahren. Im Mittelpunkt stehen dabei die Euromediterrane Partnerschaft und die EU-Erweiterung 2004. Er geht davon aus, dass diese Fremdzuschreibungen auch deshalb solche Popularität erlangten, da sie zwar zugespitzt die beiden extremen Pole europäischer Außenpolitik beschreiben, aber von „Innen“, aus der Perspektive Brüssels, nicht in Übereinstimmung mit den Eigenrepräsentationen der Gemeinschaft gebracht werden können und daher weniger Analysen europäischer Politik denn Kritik an Europa sind. Sie spiegeln so vielmehr die Dilemmata wider, vor denen die Politiker nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ standen und auf die die EG aufgrund ihrer Eigenrepräsentationen und Sprachregelungen in nur eingeschränkter Weise reagieren konnte.
Der Mauerfall ließ außenpolitische Beratungsinstitute in Deutschland und Frankreich nach neuen Deutungsmustern in den internationalen Beziehungen suchen. Der Artikel vergleicht die Europarepräsentationen in vier Institutionen (Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Centre d’études et de recherches internationales, Institut français des relations internationales). In den Arbeiten der Einrichtungen, die von 1990 bis 2000 die arabische Welt behandelten, spielen der Maghreb, die Euro-Mediterrane Partnerschaft und damit zusammenhängende Debatten zentrale Rollen. Wie legitimierten Institutsmitglieder hierbei Europakonzepte? Der Vergleich reicht von gegenseitiger Abhängigkeit bis zum Empire sans empereur mit Mittelmeerachse und zeigt gemeinsame Entwicklungen und nationale Spezifika. In den Debatten machte sich eine zunehmende Konzentration auf die EU bemerkbar; die entscheidungsnahen Beratungseliten behielten ihren engen Bezug zu den nationalen Regierungen. Viele Quellen unterstrichen die Herausforderungen im Mittelmeerraum, andere sprachen der jüngsten europäischen Geschichte Modellcharakter zu – Europa wurde zur Handlungsressource.