Changes from the "Margins": Non-European Actors, ldeas and Strategies in International Organizations
Vol. 23 No. 4-5 (2013)
Herausgegeben von Klaas Dykmann und Katja Naumann
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Internationale Organisationen sind aus einem Drang zur Weltverbesserung entstanden. Daher werden sie sowohl von ihren Gründern als auch von zahlreichen Forschern als Institutionen angesehen, die dem Weltfrieden dienen und den technologischen Fortschritt selbst in entfernteste Regionen bringen oder auf andere Weise die Welt „sicherer”, „gesünder” bzw. schlicht „besser” machen. In all diesen Zuschreibungen steckt die Annahme, dass die Welt durch sie zu einem „zivilisierteren” Ort werde. Daher argumentiere ich, dass Internationale Organisationen als Akteure einer „universalen Zivilisierungsmission“ gedeutet werden können. Die Charakterisierung als ‚globale Zivilisierer’ denkt neuere Forschungen weiter, die sich von Studien zum Kolonialismus und ‚civilizing missions’ inspirieren lassen, und trägt zu einem tieferen Verständnis der Institutionen bei. Der Aufsatz veranschaulicht diesen Interpretationsansatz anhand des internationalen Beamtentums, der Menschenrechtspolitik der UN sowie des Einflusses nicht„westlicher“ Konzepte auf die zivilisierende Rolle. Insofern entwickelt er ideengeschichtliche Hintergründe von Dynamiken in Internationalen Organisationen.
Frauen aus nicht-westlichen Weltregionen hatten einen großen Einfluss auf die internationale Frauenbewegung in den 1920er und 1930er Jahren. Der Aufsatz illustriert dies anhand von drei indischen Frauenorganisationen. Zunächst wird gezeigt, dass der anfänglich westzentrierte Universalismus des International Council of Women und der International Alliance of Women nach dem Ersten Weltkrieg einer globaleren Perspektive wich, sowohl hinsichtlich der internen Politik als auch der Bandbreite der Anliegen, obwohl sie als kulturell und national spezifisch angesehen wurden. Einige der Leitfiguren nahmen die Forderung nach Selbstbestimmung ernster und unterstützten Frauen in kolonialisierten Gesellschaften in ihren spezifischen Vorhaben, anstatt ihnen die eigenen, oft genug imperialen Sichtweisen aufzudrängen. Sodann wird nachgezeichnet, dass die indischen Frauenorganisationen eigene, global ausgerichtete Agenden entwickelten, die ‚westliche’ und ‚nicht-westliche’ Aktivistinnen ansprachen sowie für lokale, regionale, aber auch grenzüberschreitende Interessen offen waren. Die bewusst dezentral angelegte Programmatik war auch dazu gedacht, die internationalen Frauenverbände zu reformieren.
Die UNESCO wurde 1945 ins Leben gerufen, um durch Bildung, Wissenschaft und Kultur zum Weltfrieden beizutragen, wobei sie in den ersten Jahren ihres Bestehens hauptsächlich in Europa agierte. Zunehmend jedoch weiteten sich die Aktivitäten auf Asien, Lateinamerika, den Nahen Osten und schließlich auf Afrika aus. Diese Ausweitung ist im Wesentlichen das Resultat des politischen Drucks von Vertretern aus nicht-westlichen Ländern, die die eurozentrische Geisteshaltung und Politik der Gründungszeit bzw. der Anfangsjahre kritisierten. Eine Voraussetzung dieses Einspruchs war die sich ausweitende Mitgliedschaft der UNESCO, die sich vor allem in Hinblick auf die Teilnahme von nichteuropäischen Staaten pluralisierte. Dieser Prozess wird im ersten Teil detailliert beschrieben. Anschließend werden Kooperationen zwischen den neuen Mitgliedern nachgezeichnet, einschließlich der Grenzen, auf die das gemeinsame Handeln stieß. Im dritten Abschnitt wird gezeigt, wie sich in der UNESCO eine offenere Haltung gegenüber Forderungen und Anliegen nicht-westlicher Gesellschaften durchsetzte. Zum Schluss wird diese Öffnung beispielhaft am Engagement in Afrika belegt.
Der Aufsatz geht der Produktion medizinischen Wissens im Kontext globaler Programme zur Krankheitsbekämpfung zwischen den 1960er und 1990er Jahren nach. Am Beispiel der Eindämmung von Durchfallerkrankungen, eine der Hauptursachen für Kindersterblichkeit in ärmeren Ländern, wird der enge Zusammenhang von institutionellen, ideologischen und technologischen Faktoren behandelt. Die detaillierte Rekonstruktion der Schaffung von Wissen und politischen Direktiven im Umfeld der zentralen Initiativen der weltweiten Diarrhoeal Diseases Control-Programme hilft die divergierenden Positionen zu Gesundheit, wissenschaftlichen Agenden und Politik in der Weltgesundheitsorganisation, aber auch von Forschungsinstituten in Südasien sowie US-amerikanischen Entwicklungsagenturen zu erkennen. Das zentrale Argument des Nahblicks auf diese Konstellation lautet, dass biomedizinischer ‚Fortschritt’ zwar von entscheidender Bedeutung für den Beginn weltweiter Gesundheitsprogramme war, jedoch eine äußerst geringe Rolle in der konkreten Zielsetzung und Entfaltung spielte. Verfolgt man gleichermaßen die Forschungspraxis wie die ideologische Rahmung der Gesundheitspolitik, entsteht ein komplexes Bild des Agenda-Setting und der Ergebnisse von Weltgesundheitsprogrammen.
Die Länder der Bewegung der Blockfreien Staaten waren bedeutende Akteure im Wandel der zeitgenössischen internationalen Beziehungen. Indem sie den Vereinten Nationen beitraten, vergrößerten sie deren Legitimität wie auch die anderer internationaler Organisationen. Durch individuelle und kollektive Initiativen bewirkten sie eine Reorientierung der politischen Leitlinien der UNO, die den eigenen Hoffnungen und Interessen mehr Raum gaben. Ihr wachsendes Gewicht, allein durch die zunehmende zahlenmäßige Stärke, setzte die USA und ihre westeuropäischen Verbündeten unter massiven Druck. Die Etablierung von Mechanismen wie die United Nations Conference on Trade and Development, aber auch neue Agenden für die Generalversammlung der UNO und etliche ihrer Spezialorganisationen sowie einige Initiativen der Weltbank in den 960er Jahren verdeutlichen den Einfluss der Bemühungen der Entwicklungsländer. Ihre maßgebliche Rolle kommt schließlich in der Begründung von Programmen zur wirtschaftlichen Stärkung von „Dritte Welt“-Ländern sowie in den UN-Friedensmissionen zum Ausdruck.
Unternehmen und Aktivisten im so genannten ‚globalen Süden’ halten die sozialen und Umweltstandards der Internationalen Organisation für Normierung (ISO) für berechtigt und angemessen. Die Legitimität der Organisation resultiert aus dem zunehmenden Einschluss nichtwestlicher Akteure und Vertreter aus kolonialisierten Gesellschaften in die internationale Standardisierungsbewegung, wobei dieser Prozess lange vor der Gründung der ISO im Jahr 1946 begann. Seit den 1950er Jahren trugen die Vereinten Nationen zur Schaffung von Standardisierungsorganisationen außerhalb Europas und Nordamerikas bei, die über kurz oder lang Teil des Netzwerkes der ISO wurden. In den 1960er Jahren förderte die ISO die Partizipation aus ‚südlichen‘ Weltregionen, und nach dem Ende des Kalten Krieges schlossen sich nicht-westliche Standardisierungsorganisationen jenen Lobby-Gruppen an, die neue oder erneuerte Demokratien konsolidierten. Gemeinsam erreichte man, dass sich die ISO auch mit den Bereichen Umwelt und Soziales befasste.